Interview mit Arne Zank von TOCOTRONIC

Gregor Eder

Von Gregor Eder

Vor nun schon über 30 Jahren wurde die Band Tocotronic in Hamburg gegründet. Am 14.02.25 präsentiert die Band ihr inzwischen 14. Studioalbum und es trägt den Namen „Golden Years„. Im Rahmen der Veröffentlichung durfte ich vorab schon einmal mit niemand anderen als Arne Zank über das Album und noch ein paar andere Themen plaudern.

Zu Mittag fanden sich Arne und ich via Zoom zusammen und nachdem ich mich vorgestellt hatte, begann auch schon mein Fragen-Hagel!

Zu Beginn stellte ich eine etwas offenere Frage: „Nachdem Tocotronic sozusagen 4 Jahre älter ist als ich, würde mich interessieren, wie du die Band einer Person in meinem Alter, welche noch nie etwas von euch gehört hat, vorstellen würdest?“

„Ui! Also, wenn man selber in der Band spielt, ist so etwas eine große Erzählung. Spontan würde mir gerade einfallen, dass man das Ganze wie folgt herunterbrechen kann. Wenn man etwas von Indie-Rock gehört hat, dann ist das schon einmal eine gute Beschreibung. Dann würde ich sagen, wir spielen deutschsprachigen Indie-Rock. Dann würde ich noch hinzufügen, dass wir, als wir in den 90er Jahren gestartet haben, Punk-Rock, Hardcore und Grunge Einflüsse hatten, uns dann aber über die Jahre auch gegenüber Pop-Musik geöffnet haben. Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass Indie-Rock die Basis von dem Ganzen, was wir da so machen ist. Dann weiß ich aber auch nicht, ob die Begrifflichkeiten für das junge Gegenüber so verständlich sind. Man müsste natürlich im Gespräch herausfinden, ob man eine gemeinsame Sprache finden kann. Gerade bei Musik ist es ja oftmals ein Suchen und etwas Schönes, wenn man über Musik merkt, dass man eine gemeinsame Sprache hat. Es kann aber natürlich auch komplett aneinander vorbeigehen, da die Erlebniswelten ja sehr unterschiedlich sind.“ erklärte Arne grinsend.

Fotocredit: Noel Richter

Nachdem Arne das Thema „Begrifflichkeiten“ schon angesprochen hatte, legte ich folgende Frage nach: „Wenn man Tocotronic googelt, dann findet man sehr schnell den Genre-Begriff „Hamburger Schule“. Ist dieser Überbegriff, genauso wie Diskursrock, etwas womit ihr euch selbst identifizieren könnt, oder wurde jener euch sozusagen auferlegt?

Etwas nachdenklich meinte Arne: „Also wir haben uns eigentlich ursprünglich nicht selbst dort einsortiert und uns den Begriff ja auch nicht ausgedacht. Es gibt auf jeden Fall schlimmere Schubladen, in die man hineingesteckt werden kann. In letzter Zeit ist die „Hamburger Schule“ ja wieder in den Fokus geraten und das fand ich wiederum ganz interessant und schmeichelhaft, dass man selbst als Teil des Ganzen gesehen wird, beziehungsweise in gewissen Zusammenhängen ja immer noch Teil davon ist. Wir haben ja irgendwann alle 3 Hamburg verlassen und gingen nach Berlin und dadurch bekommt das Ganze auch etwas Nostalgisches. Für uns ist es auf jeden Fall ein netter Rückblick auf die Zeit und es ist immer noch schmeichelhaft diesem Genre zugeordnet zu werden.“

Das neue Album bringt viele Zeilen zum Nachdenken und startet auch direkt mit einer Auseinandersetzung mit dem Tod. Daher fragte ich: „Mit „Der Tod ist nur ein Traum“ beginnt das Album ja mit einem doch etwas ernsteren Thema. Wie kam es dazu, dass ihr euch entschieden habt diesen Song als Opener zu nehmen?

„Also die Platte hat schon einige Themen, die man als eher schwer bezeichnen kann. Es sind eben Lebensthemen. Die Entscheidung viel mitunter auch aus dem Blickpunkt, welche musikalische Gesamtwirkung das Album haben soll. Es war ziemlich klar, dass sich das Ganze in die Richtung von klassischem Songwriting entwickelt. Mit so einem Thema anzufangen hat aus meiner Sicht einen gewissen Humor, weil man natürlich die Leute erstmal komplett überfordert. Mit so einem Stück macht man sich ja nicht gerade so beliebt, sondern knallt den Leuten sozusagen gewaltig einen vor den Latz. Das ist aber wiederum auch schön, weil damit eine gewisse Melodramatik einhergeht, sodass man sich komplett öffnet. Ähnlich wie bei Personen, welche man trifft und jene breiten einem direkt ihr ganzes Leben aus. Ich fand, diese Melodramatik passt gut zu uns und hat einen gewissen Humor, sowie Drastik, welche uns allen gut gefällt. Was mir auch an dem Einstieg gefällt ist, dass es sich ja um ein Thema handelt, welches jeden betrifft und so auch möglichst viel Fläche für Identifikation geboten wird. Im besten Fall fühlt sich der Hörer direkt angesprochen und wir laden sozusagen mit einer großen Geste ein, sich auf unsere Musik einzulassen. Mir gefällt auf jeden Fall, dass der Einstieg einen direkt stark bewegen kann.“ erklärte Arne.

Nachdem wir über den Anfang des Albums gesprochen hatten, interessierte es mich auch, wie die Band zum Ende der neuen Scheibe gekommen ist und so stellte ich folgende Frage: „Am Ende des Albums findet man ja ein Cover des Songs „Loch Tay Boat Song“ von The Corries. Wie kam es dazu, dass ihr euch für diesen Abschluss entschieden habt?

„Im besten Fall fühlt sich der Hörer direkt angesprochen und wir laden sozusagen mit einer großen Geste ein, sich auf unsere Musik einzulassen.“

Arne Zank (Tocotronic)

Arne meinte: „Also soweit ich weiß, war es eine Idee von Dirk. Was uns daran gefällt ist, dass dieser Song etwas Heilendes hat, aber auch eine melodramatische Erzählung mit sich bringt. Der Song bringt eine Auseinandersetzung mit dem Leid, welches mit der beschriebenen Liebe einhergeht und die erzählende Person hat dabei auch etwas dezent hysterisches. Abgesehen davon gefallen uns die Folk- beziehungsweise auch keltischen Melodien des Songs. Aus diesen Gründen haben wir uns dafür entschieden und ich finde, es gliedert sich auch gut in das Gesamte ein.“

Hier konnte ich Arne nur zustimmen, da man, wenn man es nicht wissen würde, schon glatt glauben könnte, dass der Song direkt von Tocotronic kommt. Neben Tocotronic ist Arne auch als DJ tätig und daher fragte ich: „Was tut sich aktuell bei DJ Shirley?

„Ich habe noch schnell im September, bevor die Toco-Platte herauskam, eine Solo-Platte veröffentlicht, aber unter meinem bürgerlichen Namen Arne Zank. Da habe ich sozusagen ein EP gemacht namens „dasu isuto aresu“, welche ich in Japan begonnen hatte und nun nach 10 Jahren abgeschlossen habe. Darüber bin ich sehr froh. Somit pausiert die Sparte aber auch einmal. Ich mache natürlich auch meine Comics weiter, aber das Ganze dauert noch etwas.“: meinte Arne mit heiterer Stimme.

Wie viele von euch wissen stamme ich ja eigentlich aus Österreich und eine dort beheimatete Band hat vor nicht allzu langer Zeit einen Song geschrieben, in welchem es um Arne geht. Daher fragte ich: „Die Band Bipolar Feminin ist dir ein Begriff? Mit „Herr Arne“ hat die Band ja ein Lied veröffentlicht, in welchem sie dich direkt anspricht. Hat die Band dich über den Song vorab informiert, oder kam das Ganze eher überraschend?

„Ja, die Band ist mir ein Begriff. Soweit ich weiß, war der Song ja sogar einer der Ersten, welchen die Band geschrieben hat und vorab wurde ich nicht gefragt. Im Nachhinein hat sich die Band aber bei mir gemeldet und mich gefragt, ob ich etwas dagegen hätte. Sie haben mir dann eine sehr frühe Version des Songs geschickt und ich hab mich natürlich gefreut. Ich war zwar vorerst etwas überrumpelt und auch leicht erschrocken, doch als wir uns dann unterhalten haben, habe ich mich sehr gefreut, weil die Band ja auch sehr sympathisch ist. Ich kann die Herangehensweise des Songs verstehen und es hat mich etwas an frühe Toco-Sachen, oder an Sachen von mir, erinnert. Hier merkt man einfach, dass die Musiker auch Musik-Fans sind und auch über Musiker schreiben. So etwas mag ich total gerne und so hat es mich, nachdem der erste Schreck verklungen war, sehr gefreut. Ich fand es sehr sympathisch und natürlich auch sehr schmeichelhaft.“ erklärte Arne.

Ich kann mir gut vorstellen, dass man zuerst einmal etwas erschrocken ist, wenn man von einer Band in einem Song direkt angesprochen wird. Schön, dass sich die Angelegenheit in Wohlgefallen aufgelöst hat! Arne und ich plauderten nach dieser Frage noch etwas, bis unsere Interviewzeit zu Ende war.

Abschließend möchte ich mich nochmal bei Arne für das entspannte Gespräch bedanken und euch „Golden Years“ wärmstens empfehlen! Die Rezension zum Album findet ihr –> hier.

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