Scheeßel, Eichenring, Freitag, 21.06.2024 – „Alltag aus, Hurricane an“, so der Slogan des Veranstalters. 4.500 Mitarbeiter sorgen für einen reibungslosen Ablauf des Festivals. Trotz der diesjährigen angespannten Lage auf dem Festivalmarkt und höheren Ticketpreisen war das Festival überraschend gut gefüllt. Das Line-up aus fast 90 Bands und Künstler auf vier großen Bühnen in den Bereichen Rock, Pop, Alternative, Indie, Hip-Hop und Elektro ist im Gegensatz zum Deichbrand Festival erfreulich international, es sind einige Acts aus Großbritannien und Nordamerika dabei. Ein Festivalpass für alle Tage plus Campingzugang kostete mittlerweile stolze 279 Euro – die Kosten explodieren seit Corona.
Ausgewählte Konzerte werden auf „Arte Concert“ und ndr.de übertragen. Das Hurricane ist erstmals auf RTL+ zu sehen. Verschiedene Bands von den Hauptbühnen sollen kostenlos per Webbrowser oder RTL+-App zu sehen sein. Das CampFM-Radio ist wie immer auch auf dem Hurricane zu vertreten. Neben festivaltypischer Musik bietet der Radiosender allen Menschen vor Ort oder auch zu Hause alle aktuell relevanten Informationen von Bandausfällen bis hin zu Wetterwarnungen.
Der Festival-Donnerstag
Oft hatten die Veranstalter – aber auch die Gäste – Pech mit dem Wetter. Der Donnerstag war trocken, mit Sonne-/ Wolkenmix und so konnten die rund 75.000 Besucher ihr Zelt trocken aufbauen. Der Freitag wurde dann deutlich nasser. Ein Entwässerungssystem – eine Kanalisation unter dem gesamten Infield-Bereich, mit 80 Zentimeter dicken Rohren, wurde vor einigen Jahren angelegt und verhindert auch bei heftigen Regen größere Pfützen.
Auf dem 15,4 ha großen Gelände der Motorrad-Sandrennbahn Eichenring bei Scheeßel zwischen Bremen und Hamburg kamen bereits Zehntausende am Hauptanreisetag. Und es staute sich wie erwartet – teilweise bis zu fünf Kilometer auf den Bundesstraßen 71 und 75 und auf der Kreisstraße zwischen Rotenburg und Westervesede. Mehr als 20 Prozent der Besucher kommen aber mit dem Zug nach Scheeßel.
Es spielten Abends als Warm-Up und erste musikalischer Act der Kiezchor Hansemädchen. Nicht etwa, weil sie besonders gut singen könnten, sondern weil es noch niemand geschafft hat, sie davon abzuhalten. Die fünf Jungs aus der Lüneburger Heide der Punkrockband Drei Meter Feldweg folgten. Auch die Pop-Punk-Band Itchy aus Baden-Württemberg, die deutsche Hip-Hop-Crew Teuterekordz aus Berlin sowie die zehnköpfige Truppe mit neuer Frontfrau Moop Mama X Älice – die Punkrockband unter den Blaskapellen -heizten bereits gut ein.
Der Festival-Freitag
Schon um 16:00 Uhr enterte Frank Carter & The Rattleshakes bei schwülwarmer Temperatur um die 24 Grad die Forest Stage. Es folgten die Heartland-Punks The Gaslight Anthem aus New Jersey und britische Post-Punk-Band Idles, die wegen Starkregen ihr Konzert unterbrechen mussten. Der Schauer hatte aus dem Inlfield ein Wattnmeer gemach, es ging aber mit The National weiter. Sänger Matt Berninger -wie immer imAnzug- drehte erst mal mit einem Wasserbecher eine Runde über die Bühne, um dann das Publikum zu begrüßen. Dann rockte die Band los. Auch kam er zu uns in den Bühnengraben und schüttelte den Fans die Hände. Insgesamt war es eine außergewöhnliche, excessive 75 minütige Performance.
© Nordevents – Impressionen- Auch Xenia Tsilikova, Zweitplatzierte der vor 1 Woche geendeten Staffel von „Germany`s next Topmodel“ war beim Festival als Zuschauer dabei
Auf der River Stage ging es mit der englischen Indie-Rockband The Reytons bereits um 15:30 Uhr los. Der erste Hip-Hop Act des Tages – Ski Aggu – hatte an diesem Tag seine Skibrille nicht vergessen. „Seid ihr alle meinetwegen hier?“, fragte er am Anfang. Der Berliner war das erste Mal beim Hurricane und konnte noch nicht glauben, dass so viele vor seiner Stage versammelt waren. „Paty Sahne-2 und „Friesenjung“ ließen die Crowd explodieren. Bei seinem Song „HUSO“ wurde er tatkräftig von seinem besten Freund Ritter Lean unterstützt.
Fontanes D.C. gelten als eine der größten neuen Punk-Hoffnungen. Die fünf ungestüme Männer aus Dublin boten eine perfekte Mischung aus Indie-Rock und Post-Punk. Songs wie „Boys in the Better Land“ und „Televised Mind“ kamen live kraftvoller und eindringlicher und der düsteren Atmosphäre, die die Band verbreitete.
Der Auftritt der britischen Indie-Rock-Band The Kooks, fiel wegen Starkregen aus. Naja, Mochi von Feine Sahne Fischlet legte sich am selben Tag stattfinden Zwillingsfestival Southside zu seinen Fans in den Matsch. Das canceln des Auftrittes verstanden viele Zuschauer nicht. Mit souliger, sanfter Stimme und einem blumigen Setting begeisterte Aliva (bürgerlich Elif Akar) aus Recklinghausen bei ihren Power-Balladen das Publikum. Bei hren Herzschmerzballaden traf sie aber nicht immer die richtigen Töne. Die Dame zog es aber vor, keine Presse in den Graben zu lassen. Nach Mitternacht sorgte noch als letzter Act Deutschrapper Kontra K zu mitternächtlicher Stunde für einen würdigen Tageabschluss. Nicht ohne Grund gilt Kontra K als einer der wichtigsten Impulsgeber der deutschen Hip-Hop und Rap-Szene.
© Nordevents – Ski Aggu, Me First And The Gimme Gimmes und Fontanes D.C.
Wer es gerne rockig mag, war bei Boston Manor, dem Opener auf der Mountain Stage gut aufgehoben. Die fünf Briten aus Blackpool rund um Sänger Henry Cox gelten längst als Stimme einer Generation. Und das mit einem Sound, der irgendwo zwischen Post-Hardcore, Grunge, Emo und Pop-Punk zu verorten ist. Mittlerweile kann das Quintett auf vier Alben zurückblicken, das nächste Studioalbum „Sundiver“ ist für Anfang September geplant. Songs wie „Foxglove“, „I Don‘t Like People“ und „Heat Me Up“ sollen dafür in Scheeßel sorgen, dass sie den Geheimtippstatus ablegen können. Me First And The Gimme Gimmes folgten. Sie sind bekannt dafür, Musik von klassischen Pop-Bands wie ABBA, Cultur Club oder Gloria Gaynor zu covern und in eine Punkrock-Version umzuwandeln. Die bevorzugte Ära der Lieder ist Musik der 1960er- und 1970er-Jahre. Da alle Mitglieder in anderen bekannten Bands spielen, bezeichnet man „Me First and the Gimme Gimmes“ als US-Supergroup. Spike Slawson startete im weißen Anzug solo und akustisch mit einem kleinen Banjo. C.J. Ramone von den Ramones am Bass, Dave Raun von Ladwagon und die restlichenMusiker gesellten sich beim zweiten Song dazu und dann ging auch die Post ab.
© Nordevents – Bruckner und The National
Marten Laciny trat nicht wie letztes Jahr als Marteria auf, sondern schickte sein grünes Ego Marsimoto als letzten Act auf die mit grünem Nebel beleuchtete Mountain Stage.
Auf der Wild Coast Bühne im Zelt ging es mit Ritter Lean los. Der Berliner Schauspieler, Produzent und Musiker, bürgerlich Adrian Julius Tillmann, kann auf ein abgeschlossenes Schauspielstudium an der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“ verweisen und spielte in der Netflix-Produktion „Biohackers“ die Hauptrolle Jasper. Das er auch guten Indie-Pop machen kann, zeigte er bei seinem Auftritt mit Songs wie „2 %“, „Nüchtern“ und „SchwippSchwapp“. Er trifft auch Ski-Kumpel Aggu (den Ritter Lean bereits auf Tour begleitete) – der ebenfalls an diesem Tag auftrat. Weitere Highlights auf dieser Stage waren das Indiepop-Duo Bruckner und Glockenbach. Bruckner durften sich freuen, das Zelt war wegen eines Gewitterregens gerammelt voll. Glockenbach bleibt ein Rätsel. Auf der Seite der Universal Music Group wird im Singular von einem DJ und Producer gesprochen, manche Radiostationen kündigen ein Duo an und an anderer Stelle ist von einem Kollektiv die Rede.
Headliner Ed Sheeran
Headliner des Abends war der vom heutigen König Charles mit dem „Order of the British Empire“ ausgezeichnete Musiker Ed Sheeran, der eine seiner wenigen Deutschlandkonzerte an diesem Abend performte. Er hat so ziemlich alles erreicht, was möglich ist. Nachdem er am 12. Juni 2024 zum EM-Start auf der Theresienwiese in München vor ähnlich viel Publikum gespielt hatte, schaute er nun auf dem Hurricane Festival vorbei. Er verkaufte bereits über 150 Millionen Tonträger. Erst in diesem Jahr erschien sein sechstes Studioalbum „Subtract“, einige Lieder davon standen auch auf der Setlist.
Dann stand er auf der Bühne. In der Mitte, ganz allein. Beim ersten Song gab es ein kleines Feuerwerk. Mit „Castle On The Hil“ und „Shivers“ wurden zwei beliebte Stück gleich zuerst gespielt. Der rockige Song „Blow„, der in der Corona-Zeit entstand oder Songs wie „Shape of You“, „Overpass Graffiti“ oder „Galway Girl“ durften auf der Setlist nicht fehlen. Im Solo-Modus machte er, was er bislang immer gemacht hat: Er performte seine Songs, indem er alle Sounds mit einer Loop-Maschine einspielte und sie über mehrere auf der Bühne verteilte Pedal-Stationen abrief und dazu sang. Es war beeindruckend zu erleben, wie ein einzelner Mensch fast im Alleingang über 60.000 Zuschauer mit solch komplexer Musik in seinen Bann zog. Und er beherrscht auch hervorragend schnellen Sprechgesang. Riesige Bühne und netter Musiker mit Gitarre, der so gefühlvolle Lieder singt – es funktioniert. Aber richtig Stimmung kam in den 90 Minuten nicht auf. Aufgrund von Fotorestriktionen haben wir leider keine Fotos von seinem seinem anderthalb Stunden Auftritt.
Ohne Mampf kein Festival
Für die Rundum-Versorgung der Festivalbesucher wird auch die kulinarische Verpflegung immer wichtiger. So haben wir es uns zur Gewohnheit gemacht, Foodstände zu besuchen und über sie zu berichten, da sie einen großen Anteil am Gelingen eines Festivals haben. So schauten wir uns an diesem Tag bei zwei Foodtrucks vorbei. Vincent-Vegan sind 2014 mit 3 Food-Trucks gestartet. Ihre Firmensitze befinden sich in Berlin, Leipzig, Hamburg und demnächst auch in Bremen. Angeboten werden vegane Burger. Unsere zweite Empfehlung ist Ono by Steffen Hennsler, gegründet 2011. Angeboten werden hausgemachte Fisch & Chips. Fisch ist frisch, Essen lecker. Sie sind das erste Mal beim Hurricane vertreten.
© Nordevents – Food
Die Festivalbesucher zogen sich nachts nach dem Matsch-Chaos ziemlich gerädert in die klammen Zelte zurück, um für den nächsten Tag zu mindestens etwas Schlaf zu bekommen.
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