Deichbrand Festival – Der Donnerstag

Wolfgang Karg

Wanhöden, 18.06.2024 – Es geht wieder los, das Deichbrand Festival 2024 auf dem Seeflughafen Nordholz bei Cuxhaven ist eröffnet und 60.000 Besucher machten sich auf die Anreise.

Nur 500 Besucher*innen waren es, die sich 2005 auf dem ersten Deichbrand Festival in Cuxhaven einfanden. Damals noch in der ehemaligen Marinefestung Fort Kugelbake abgehalten, wuchs das Rock- und Pop-Festival stetig. Das Musikfestival unweit der Nordsee bringt in diesem Jahr wieder 120 Künstler auf 4 verschiedenen Bühnen und das 4 Tage und Nächte lang, bis zu 60.000 Festivalbesucher werden wieder zu Punk, Hip-Hop, Rock, Alternative, Metal und Electronic Music feiern.

Es gibt zwei Neuerungen bei Deichbrand, die nicht unbedingt positiv sind. Nachdem Aldi Nord im letzten Jahr seinen größten Markt in Deutschland auf dem Festivalgelände aufgebaut hatte, ist der Discounter die Partnerschaft beendet. Nun soll es den „SuperStore – Der super Festivalmarkt“ geben. Im Vorfeld gab es schon negative Stimmen zu den hohen Preisen. Die wichtigsten Produkte wie Getränke, Dosen-Ravioli, Grillgut, Hygieneartikel, Bier, Sekt, Kartoffelsalat und Eiswürfel werden im SuperStore angeboten.

Zum Zweiten führt Deichbrand erstmalig in diesem Jahr eine Parkgebühr bis zu 30 € ein. Auch hier gab es viele negative Stimmen im Netz. Damit der Ticketpreis auf dem Vorjahresniveau gehalten werden konnte, obwohl die Kosten gestiegen seien, wurde diese Gebühr eingeführt. Das lohnt sich vor allem für diejenigen, das Ticket gilt für alle vier Tage, lohnt sich aber weniger für die, die nur für einen Tag anreisen.

So lief die Anreise

Bei der Frühanreise am Mittwoch gab es die üblichen Verkehrsstaus. In den sozialen Medien wurde sich über stundenlanges Warten beschwert, welches auch durch das Parkticket und den noch gesperrten Parkplatz Süd begünstigt wurde. Auch Regenschauer machten das Warten am Check-In zu einer Geduldsprobe.

Am Donnerstag gab es den gewöhnlichen Anfahrtsstau, besonders lang war er in diesem Jahr aber bei Bremerhaven-Wulsdorf wegen eines Brückenabrisses. Denn hier ist die Autobahn wegen der Baustelle gerade nur einspurig befahrbar. Mit vollen Zügen Richtung Cuxhaven war zu rechnen, deshalb hat die EVB die Zahl der eingesetzten Waggons verdoppelt.
Aber: Für Anreisende mit Zug aus Richtung Süden wurde es richtig nervig – Wegen eines Stellwerkschadens (Stromausfall) war kein Zugverkehr im Bremer Hauptbahnhof möglich. Züge im Fern- und im Regionalverkehr fielen aus oder wurden umgeleitet. Auch Bahnhöfe im Umland waren betroffen.

Bis abends waren bereits Zehntausende auf den Campingplätzen und bauten ihre Zelte auf – an diesem Tag im Trockenen. Vergessen also das Regenchaos mit steckengebliebenen Fahrzeugen im letzten Jahr am Festivalsonntag und die Schauer vom Vortag.

© Nordevents (Antje und Wolfgang Karg)Impressionen

Die ersten Acts ließen bereits am Donnerstag die Bühne beben. Los ging es auf der relativ neuen New Port Bühne, auf der Newcomer platziert werden, mit Temmis, einer aufstrebenden Band aus Thüringen. Ihre Singles „Wenn du da bist“ und „Alles brennt“ standen auch auf der Setlist. Kurz darauf erklangen die ersten elektronischen Klänge von Ansgar Üffink aka Vargo, dem Musikpionier für elektronische Musik, der jedes Jahr beim Deichbrand dabei ist.

Der Donnerstag ist immer DER Tag der Jever Hafenbar, weil die großen Bühnen erst spät bespielt werden. Die Braugerste für das Bier kommt übrigens auch aus dem direkten Umfeld des Festivals, um dann in Flaschen abgefüllt wieder zurück in die Heimat zu kommen.

So ging es um 18:00 Uhr in der Hafenbar mit den Emo-Punkern aus Oldenburg mit ihrer erst 2028 gegründeten Band Catapults mit ihrem 8 Songs umfassenden Set los. Ihre Liveshows sind nicht nur emotional geladen, sie bringen auch eine äußerst tanzbare Energie mit sich und wissen, Zuhörer aus verschiedensten Genres für sich zu gewinnen.

Der zweite Act waren die Alternativ-Punker Kopfecho aus Düsseldorf mit ihrem neuen Album „Zusammen allein“. Ihre Musik ist mal laut, mal melodiös, mal wütend und gesellschaftskritisch, mal zart oder euphorisch und voller Lebensfreude. Sängerin Amy wirbelt über die Bühne, stellt sich immer wieder auf die Bodenboxen vor die Bühne um dem Publikum näher zu sein, singt rotzig und schreit ihre Gefühle raus.

© Nordevents (Antje und Wolfgang Karg)Setyøursails, Catapults, Kopfecho und Twin Altantic

Es gibt schon gute Gründe dafür, dass Londoner Quartett Talk Show ihre erste Single „Fast And Loud“ genannt haben. Das Debütalbum „Effigy“ als Schnittstelle von Post-Punk, Techno, Industrial und Rock hatten sie im Gepäck dabei. Gitarrist Dave Coutts wirbelte hin und her und spielte exessiv auf seiner getapeten Gitarre.

Dream Nails sind kein Nagelstudio, sondern ein sechsköpfiges „All-Quer-Politpunk-Kollektiv“ aus England. Sie boten eine Mischung aus Pop und Punk. Die niederländische Post-Hardcore Band John Coffey hatte 2016 eine Pause eingelegt. Nun sind die Fünf wieder am Start und boten wieder Lieder mit Themen, die alle im Moment bewegen: Unsicherheit in einer sich ändernden Welt und alltägliche Sorgen. Am frühen Morgen des Freitags hatten fünf Musiker Drei Meter Feldweg aus der Lüneburger Heide mitgebracht. Kein schrammeliger Dorfpunk, sondern facettenreiche Punkmusik mit eingängigen Melodien. Ihr viertes Studioalbum “DURAK” (VÖ: 26.08.2022) ist in Arbeit.

Im Palastzelt ging es bereits am ersten Tag heiß her

Im Palastzelt startete die vierköpfige, englischsprachige Metalcore-Band aus Köln Setyøursails den musikalischen Nachmittag. Die Band wurde 2017 von Sängerin Jules Mitch und Gitarrist André Alves Rodrigues in Köln gegründet. Bei ihren 11 vorgetragenen Songs waren auch einige von ihrem neuen Album „Bad Blood“ (unsere → Rezension / unserInterview) und die Bühnenpräsenz konnten begeistern.

Die schottische Rockband Twin Atlantic begleitete im Jahr 2014 die Band 30 Seconds to Mars auf ihrer Europa-Tour. Nun standen sie bei Deichbrand auf der Bühne des Palastzeltes. 7 Jahre lang waren sie nicht mehr in Deutschland gewesen. Hymnenartiger Gitarrenrock, einen Frauenschwarm als Frontmann und charismatische schottische Akzente – nicht weniger haben Twin Atlantic mit Biffy Clyro gemeinsam.

Die Punkrock-Band Rogers aus Düsseldorf war auch schon in den letzten Jahren dabei und gehört irgendwie schon zur Crew, insgesamt ihr achter Auftritt bei diesem Festival. Laute Musik voller Herz und mitten ins Gesicht. Gegen den Strich, ohne Zensur oder vorgehaltener Hand. Auf ihrem aktuellen Album „Mittelfinger für immer“ sind politische, sozialkritische sowie ruhige Songs zu zwischenmenschlichen Themen – allesamt garniert mit einer gehörigen Portion rotzigem Punkrock. Sänger Christian Hoffmeier hielt ein Statement gegen rechts und als von der Security ein offenbar verletzter Zuschauer in den Graben gehoben wurde, bracht er kurz das Set ab, um sich zu vergewissern, dass alles Gut ist. Die Ska-Punk-Band Sondaschule befindet sich im 18. Bandjahr, hatte drei Top Ten Alben in Folge und ist Dauergast bei allen namhaften Festivals wie auch dem Deichbrand. Sie verbreiten immer wieder viel Stimmung.

© Nordevents (Antje und Wolfgang Karg)Rogers, Sondaschule, Alex Mofa Gang und Beauty & The Beat

Mit ihrem Genre-Cocktail aus Art-Rock, Emo-Punk und Garage sorgen die Brüder Remington Leith, Sebastian Danzig und Emerson Barret – besser bekannt als Palaye Royale aus Las Vegas– seit 2011 stetig für musikalische Überraschungen. Sie boten eine Mischung aus Glam-Rock, Art-Punk und Brit-Pop und ein düsterer Vampir-esker Look begleitet das Trio bereits seit ihrem Debütalbum „Boom Boom Room“ aus dem Jahr 2016.

Alleviate, die deutsche Supergroup, hat sich im Jahr 2020 aus Musikern verschiedener Bands zusammengesetzt: Clean-Sänger Timo (Our Mirage), Shouter Marius (Breakdown’s at Tiffany’s), Gitarrist Ramon (The Evolutionist), Gitarrist Marc (We Are Perspectives) und Schlagzeuger Yunus (Time, The Valuator). In ihren Songs vereinen sie Elemente aus Metalcore, Deathcore, Djent und Post-Hardcore. Ihre Debüt-Single „Die for Me“ erschien 2021.

Die Water Stage öffnete um 22:00 für die DJs

Auf der Waterstage ging die Party wie in den letzten Jahren um 22:00 Uhr mit Jannek Schmitt, der vielen wohl eher unter seinem Künstlernamen Beauty & the Beats bekannt ist, los. Beauty & the Beats verbindet Genres, Musikkultur und Party so flüssig miteinander wie kein anderer und liefert seinem Publikum sowohl auf großen Bühnen als auch in kleinen Clubs eine energiegeladene und explosive Show. Die letzten vier Jahre hat er bei Deichbrand bereits gezeigt, was geht. In diesem Jahr geht’s in die nächste Runde. Auch er appelierte aufeinander aufzupassen, insbesondere beim Mospit auf die Frauen und jeder soll Spaß bei einem friedlichen Festival haben. Außerdem meinte er: „Vor 7 Jahren stand ich hier bei Deichbrand auf dem Red Bull Tourbus und nun auf de großen Bühne…!“

Als zweiter Act auf der großen Bühne heizte auch dieses Jahr das deutsches DJ- und Produzenten-Duo Johannes „Joe“ Gehring und Christopher „Chrissi“ Rabai alias Drunken Masters ein. Vier Turntables und ein schier endloses Repertoire an Genres sind das Grundgerüst eines DJ-Sets. Hauptsache, es hat Bass und ballert.

Unsere Beiträge vom Deichbrand aus den letzten Jahren
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